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Drei Fragen an...

Man könne sich als Gutachterin oder Gutachter leicht aufs Glatteis führen lassen, sagt Dr. Regina Grundler. In Drei Fragen an erklärt die Supervisorin der Medicproof-Sozialmedizin, inwiefern die Begutachtung von Menschen mit Demenz zur Herausforderung werden kann und warum das Stadium der Erkrankung eine so große Rolle spielt. Außerdem erfahren Sie, in welchen Modulen der Pflegebegutachtung Demenz vor allem bewertet wird.

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Das ändert sich mit dem Verlauf der Erkrankung. Im frühen Stadium besteht oft eine Fassadenhaltung. Die Betroffenen erleben die eigenen Defizite und versuchen diese zu vertuschen, indem sie weitschweifend erzählen und sich sehr zugewandt präsentieren. Sie bagatellisieren, konkrete Fragen werden kategorisch verneint. Als Gutachterin oder Gutachter kann man sich leicht aufs Glatteis führen lassen.

Im weiteren Verlauf werden die kognitiven Defizite aber rasch offensichtlich. Es kann dann jedoch zu Misstrauen und Aggression gegenüber dem fremden Besucher oder der Besucherin kommen. Eine motorische Unruhe kann erheblich stören. Fragen werden unzureichend beantwortet, Aufforderungen müssen wiederholt werden. Manchmal kommt es zu distanzlosem Verhalten.

Im späten Stadium kann die Kooperation vollständig zum Erliegen kommen. Die Gutachterin oder der Gutachter werden kaum noch registriert, die Situation wird nicht verstanden, ein Dialog ist auch auf einfachem Niveau nicht mehr möglich.

Auch für die Pflegeperson kann die Begutachtung schwierig sein: Die Gutachterin oder der Gutachter soll die Lage erkennen, gleichzeitig soll Vater, Mutter oder Ehepartner nicht bloßgestellt werden. Oft kommt auch noch Fremdscham hinzu.

Welche besonderen Herausforderungen gehen mit der Begutachtung von Menschen mit Demenz einher?
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Auch die Befunderhebung ändert sich mit dem Verlauf der Demenz. Im frühen Stadium ist das Gespräch mit dem Betroffenen möglich. Die Gutachterin oder der Gutachter kann gezielt zum Alltag Fragen stellen, spezielle Tests wie den Uhrentest durchführen und sich das Wohnumfeld zeigen oder beschreiben lassen. Widersprüchlichkeiten können so oft über die Dauer einer Begutachtung aufgedeckt werden. Mit Fortschreiten der Demenz werden Aussagen der Angehörigen sowie Dokumente wie Arztbriefe wichtiger, weil der oder die Versicherte selbst immer weniger Sinnvolles beitragen kann. Hilfreich kann es sein, wenn Gutachterin oder Gutachter Aktivitäten vorschlagen und den Versicherten bitten, diese nachzuahmen: Wie gelingt die Umsetzung?
Beobachtung oder Beschreibungen sind auch wichtig für die Beantwortung der Fragen, ob der oder die Versicherte selbständig aus einem bereitstehenden Glas trinken können.
Grundsätzlich erfordert die Befunderhebung ein empathisches Verhalten, eine gute Vorbereitung, eine ausführliche Befragung und eine adäquate Berücksichtigung aller Beteiligten. Manchmal ist ein kurzes Gespräch mit der Pflegeperson ohne die betroffene Person sinnvoll, um Unklarheiten zu beseitigen.

Wie erheben Gutachterinnen und Gutachter den Befund? Was kann speziell bei Demenz beobachtet bzw. getestet werden?
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Bewertungen bei Demenz erfolgen primär in Modul 2 „Kognition und Kommunikation“ und Modul 3 „Verhaltensweisen und psychische Problemlagen“ und wirken sich auf die folgenden Module 4, 5 und 6 aus.
In Modul 4 geht es um die Selbstversorgung. Jemand, der zum Beispiel deutliche Gedächtnisstörungen hat und Alltagshandlungen nicht überblickt, wird an die Körperpflege erinnert und beim Anziehen angeleitet werden müssen. Bei der Tabletteneinnahme wird Beaufsichtigung benötigt – ein Beispiel für eine Auswirkung auf Modul 5. Weder Tag noch Zukunft wird er selbständig planen können, dies wird in Modul 6 bewertet.
Auch Verhaltensauffälligkeiten wie Unruhe und Abwehr können sich auf die Selbstversorgung in Modul 4, die Behandlungspflege in Modul 5 und die Tagesplanung und Kontaktgestaltung sowie die Bewertung von Ruhen und Schlafen in Modul 6 auswirken. Werden Einschränkungen und Auffälligkeiten derart berücksichtigt, spiegelt sich dies automatisch in der Höhe des ermittelten Pflegegrads wider.

Wie wirken sich Module 2 und 3 auf die anderen Module aus und wie leiten die Gutachterinnen und Gutachter den passenden Pflegegrad daraus ab?
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3 Fragen an...

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Man könne sich als Gutachterin oder Gutachter leicht aufs Glatteis führen lassen, sagt Dr. Regina Grundler. In Drei Fragen an erklärt die Supervisorin der Medicproof-Sozialmedizin, inwiefern die Begutachtung von Menschen mit Demenz zur Herausforderung werden kann und warum das Stadium der Erkrankung eine so große Rolle spielt. Außerdem erfahren Sie, in welchen Modulen der Pflegebegutachtung Demenz vor allem bewertet wird.

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Welche besonderen Herausforderungen gehen mit der Begutachtung von Menschen mit Demenz einher?

Das ändert sich mit dem Verlauf der Erkrankung. Im frühen Stadium besteht oft eine Fassadenhaltung. Die Betroffenen erleben die eigenen Defizite und versuchen diese zu vertuschen, indem sie weitschweifend erzählen und sich sehr zugewandt präsentieren. Sie bagatellisieren, konkrete Fragen werden kategorisch verneint. Als Gutachterin oder Gutachter kann man sich leicht aufs Glatteis führen lassen.

Im weiteren Verlauf werden die kognitiven Defizite aber rasch offensichtlich. Es kann dann jedoch zu Misstrauen und Aggression gegenüber dem fremden Besucher oder der Besucherin kommen. Eine motorische Unruhe kann erheblich stören. Fragen werden unzureichend beantwortet, Aufforderungen müssen wiederholt werden. Manchmal kommt es zu distanzlosem Verhalten.

Im späten Stadium kann die Kooperation vollständig zum Erliegen kommen. Die Gutachterin oder der Gutachter werden kaum noch registriert, die Situation wird nicht verstanden, ein Dialog ist auch auf einfachem Niveau nicht mehr möglich.

Auch für die Pflegeperson kann die Begutachtung schwierig sein: Die Gutachterin oder der Gutachter soll die Lage erkennen, gleichzeitig soll Vater, Mutter oder Ehepartner nicht bloßgestellt werden. Oft kommt auch noch Fremdscham hinzu.

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Wie erheben Gutachterinnen und Gutachter den Befund? Was kann speziell bei Demenz beobachtet bzw. getestet werden?

Auch die Befunderhebung ändert sich mit dem Verlauf der Demenz. Im frühen Stadium ist das Gespräch mit dem Betroffenen möglich. Die Gutachterin oder der Gutachter kann gezielt zum Alltag Fragen stellen, spezielle Tests wie den Uhrentest durchführen und sich das Wohnumfeld zeigen oder beschreiben zu lassen. Widersprüchlichkeiten können so oft über die Dauer einer Begutachtung aufgedeckt werden. Mit Fortschreiten der Demenz werden Aussagen der Angehörigen sowie Dokumente wie Arztbriefe wichtiger, weil der oder die Versicherte selbst immer weniger Sinnvolles beitragen kann. Hilfreich kann es sein, wenn Gutachterin oder Gutachter Aktivitäten vorschlagen und den Versicherten bitten, diese nachzuahmen: Wie gelingt die Umsetzung? Beobachtung oder Beschreibungen sind auch wichtig für die Beantwortung der Fragen, ob der oder die Versicherte selbständig aus einem bereitstehenden Glas trinken können.
Grundsätzlich erfordert die Befunderhebung ein empathisches Verhalten, eine gute Vorbereitung, eine ausführliche Befragung und eine adäquate Berücksichtigung aller Beteiligten. Manchmal ist ein kurzes Gespräch mit der Pflegeperson ohne die betroffene Person sinnvoll, um Unklarheiten zu beseitigen.

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Wie wirken sich Module 2 und 3 auf die anderen Module aus und wie leiten die Gutachterinnen und Gutachter den passenden Pflegegrad daraus ab?

Bewertungen bei Demenz erfolgen primär in Modul 2 „Kognition und Kommunikation“ und Modul 3 „Verhaltensweisen und psychische Problemlagen“ und wirken sich auf die folgenden Module 4, 5 und 6 aus.
In Modul 4 geht es um die Selbstversorgung. Jemand, der zum Beispiel deutliche Gedächtnisstörungen hat und Alltagshandlungen nicht überblickt, wird an die Körperpflege erinnert und beim Anziehen angeleitet werden müssen. Bei der Tabletteneinnahme wird Beaufsichtigung benötigt – ein Beispiel für eine Auswirkung auf Modul 5. Weder Tag noch Zukunft wird er selbständig planen können, dies wird in Modul 6 bewertet.
Auch Verhaltensauffälligkeiten wie Unruhe und Abwehr können sich auf die Selbstversorgung in Modul 4, die Behandlungspflege in Modul 5 und die Tagesplanung und Kontaktgestaltung sowie die Bewertung von Ruhen und Schlafen in Modul 6 auswirken.
Werden Einschränkungen und Auffälligkeiten derart berücksichtigt, spiegelt sich dies automatisch in der Höhe des ermittelten Pflegegrads wider.