Angehörige sind die tragende Säule der Pflege in Deutschland. Ihrer Bedeutung entsprechend müssten Angehörigeninteressen an allen relevanten Runden Tischen sowie in allen Pflegegremien von einer Angehörigenlobby mit eingebracht und in Pflegeplanungen mit einbezogen werden.
Aktuell ist die Situation pflegender Angehöriger anstrengend, einsam und unbezahlt. Sie ist nicht selten verzweiflungsvoll. Im Wesentlichen wird die Pflege subsidiär, also unentgeltlich „so nebenher“ von Angehörigen erbracht. Die Pflege in Deutschland basiert demnach zu 84 Prozent auf einer freiwilligen Leistung, einem „Liebesdienst“ von Angehörigen.
Rechtlich gründet unser Pflegesystem auf einem Bismarckschen Fundament, das von Vater-Mutter-Kind-Ehen mit Trauschein ausgeht: Die Mutter versorgt Kinder und pflegt unentgeltlich, der Vater kümmert sich um den Lebensunterhalt und die gemeinsame Altersversorgung. An der rechtlichen Grundlage aus dem 19. Jahrhundert hat sich bis zum heutigen Tag wenig verändert.
Signifikant verändert haben sich aber die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen. Frauen, die pflegen, sind in der Regel gut ausgebildet und berufstätig. Eltern und Kinder wohnen häufig nicht mehr in enger räumlicher Nähe, sondern sind über das Land bzw. den Globus verteilt. Viele Frauen und Männer haben gar keine Kinder. Das Verhältnis zwischen den Generationen ändert sich dramatisch. Immer weniger jüngere Menschen stehen immer mehr älteren Menschen gegenüber.
Mir erscheint es wichtig zu sein, Realitäten wahrzunehmen und schnittstellenübergreifend nach zukunftsweisenden Lösungen zu suchen. Dazu gehören kommunale Pflege- und Versorgungsstrukturen, eine rechtssichere Verankerung des Begriffes "Pflegende Angehörige" sowie eine Tätigkeitsbeschreibung und ein finanzieller Leistungsausgleich für informell Pflegende. Altersarmut darf nicht am Ende von oft jahrelanger Angehörigenpflege stehen.