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Was kann die Digitalisierung für die Pflege leisten? Wo ist der Faktor Mensch zwingend notwendig und wo ist er womöglich entbehrlich? Mit Blick auf die rapiden Fortschritte in den Bereichen Künstliche Intelligenz und Robotik müssen Unternehmen wie Medicproof die richtigen Antworten und Lösungen finden. Die Podiumsdiskussion während der 26-Jahr-Feier warf ein Licht auf diese Fragen. Lesen Sie hierzu den passenden Artikel.

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Wenn die Digitalisierung dem Menschen dient

Der Veranstaltungsraum wirkt futuristisch: Blaues Licht und schmale LED-Bänder dominieren die Kölner Event-Location Die Halle Tor 2. Passend zu einem Firmenjubiläum, welches sich unter dem Titel „26 Jahre Medicproof – eine Zukunftsgeschichte“ mit perspektivischen Fragen beschäftigt.

Auf dem Podium läuft eine Diskussionsrunde. Die Podiumsgäste sprechen vor allem über Chancen und Herausforderungen der Digitalisierung in der Pflege. Die Medicproof-Gutachterin Jessica Clemen berichtet von ihren Erfahrungen und gerät geradezu ins Schwärmen, wenn es um Digitalisierung geht. Sie zeigt sich überzeugt: „Digitalisierung kann eine tolle Sache sein und pflegebedürftige Menschen dabei unterstützen, ihre Restressourcen zu nutzen.“

Medicproof-Gutachterin Jessica Clemen

Restressourcen? Was soll das sein? So beschreibt Clemen beispielhaft eine Situation aus einer Pflegebegutachtung, die ihr eindrücklich in Erinnerung geblieben ist: Digitale Instrumente seien ihr vor einigen Jahren zum ersten Mal in Form eines Assistenzsystems einer Antragstellerin bewusst aufgefallen. Diese habe wegen eines Unfalls Arme und Beine nicht mehr bewegen können. „Aber sie konnte sprechen – und damit eigentlich alles verwalten“, berichtet Clemen. Mittels Sprachsteuerung habe sie nicht nur ihren multifunktionalen Rollstuhl oder den Fernseher bedienen können, sondern auch telefonieren oder das Licht ein- und ausschalten können. „Obwohl sie eigentlich nichts mehr konnte, hatte sie mit ihren Restressourcen und digitaler Unterstützung eine Autonomie erreicht“, konstatiert die Gutachterin auf dem Podium.

Erleichterung durch Digitalisierung
Per Video zugeschaltet: Birgit Naase (BMG)

Über digitale Unterstützungsmöglichkeiten spricht auch Birgit Naase. Es gehe bei der Digitalisierung in der Pflege vor allem darum, Erleichterung zu bieten, so die Abteilungsleiterin im Bundesgesundheitsministerium. Potenzial sehe sie bei der Ausstattung von Einrichtungen: „Ich denke an bestimmte Betten, die unterstützen, indem Menschen aufgerichtet werden.

So muss weniger schwere Arbeit verrichtet werden“, erklärt Naase. Auch intelligente Matratzen, die erkennen können, dass sich ein Pflegebedürftiger bewegt, seien hilfreich. Telepflege könne sogar verhindern, dass Pflegebedürftige in eine Arztpraxis bzw. ins Krankenhaus gebracht werden müssen.

Auch Medicproof-Geschäftsführerin Franziska Kuhlmann sieht vor allem neue Möglichkeiten und Chancen in der Digitalisierung. In der Kölner Medicproof-Zentrale habe man bereits vor der Pandemie papierlos gearbeitet und wertvolle Erfahrungen mit der Telearbeit sammeln können. „Sowohl Gutachterinnen und Gutachter als auch Versicherungen sind schon seit Jahren online angebunden“, erklärt Kuhlmann in ihrer Eröffnungsrede.

Medicproof-Geschäftsführerin Franziska Kuhlmann

Für die Erstellung von Gutachten nutzten die Gutachterinnen und Gutachter eine moderne, auf ihre Bedürfnisse zugeschnittene Software. „Das alles half uns, in dieser Pandemie – trotz gravierender Veränderungen um uns herum – ohne spürbare Brüche unseren Job zu machen“, so die Geschäftsführerin. Gleichzeitig habe die Pandemie für Medicproof wie ein weiterer Digitalisierungsbooster gewirkt. „Dinge, die bis dato unvorstellbar waren, galt es nun über Nacht umzusetzen: So haben wir mit der digitalen Begutachtung eine neue kontaktlose Begutachtung ohne Infektionsrisiko für die Versicherten aus dem Boden gestampft“, erzählt Kuhlmann. Das sei eine gemeinsame Teamleistung gewesen: der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Köln, der Versicherungsunternehmen und der Gutachterinnen und Gutachter.

Automatisierung kann Freiraum schaffen
Wissenschaftsjournalist Ranga Yogeshwar

„Die Zukunft wird zur Gegenwart“, stellt der Wissenschaftsjournalist Ranga Yogeshwar am gleichen Tag fest. Für Medicproof bedeutet das: Der eingeschlagene Weg der Digitalisierung werde in naher Zukunft mit neuen Instrumenten fortgesetzt, kündigt Geschäftsführerin Kuhlmann an. Neben der digitalen Begutachtung denkt man bei Medicproof vor allem an die digitalen Möglichkeiten bei der Schulung neuer

Gutachterinnen und Gutachter, in der Kommunikation sowie in der Auftragsbearbeitung. Bei Letzterem sei eine zunehmende Automatisierung sehr wünschenswert: „Wenn zum Beispiel Aufträge durch Computersysteme möglichst schlau verteilt werden können, sparen wir wertvolle Zeit“, beschreibt Kuhlmann ihre Zukunftsgedanken.

Auch Rainer Wilmink, Vorstand der LVM-Versicherung und Aufsichtsratsvorsitzender von Medicproof, denkt bei Zukunftsfragen vor allem daran, wie digitale Instrumente im Sinne der Versicherten eingesetzt werden können: „Digitalisierung bedeutet für uns, alle Daten so geschickt zu nutzen, dass es dem Kunden hilft“, erklärt Wilmink. So sei eine Verteilung von Akten beispielsweise keine wertschöpfende Tätigkeit, die von Menschen

LVM-Vorstand und Medicproof-Aufsichtsratsvorsitzender Rainer Wilmink

übernommen werden muss – hier leiste die Künstliche Intelligenz (KI) bereits gute Dienste, berichtet Wilmink von seinen Erfahrungen. Vielmehr sollten sich menschliche Ressourcen darauf konzentrieren, wie Dinge besser gemacht werden können. Ranga Yogeshwar drückt diese qualitative Verbesserung sehr anschaulich aus: Der technische Fortschritt werde sich insbesondere in jenen Bereichen durchsetzen, in denen mit digitalen Instrumenten „alles, was uns nervt,“ abgeschafft wird.

Vom Fortschritt hängt wohl auch die Zukunft des Pflegesystems ab: Angesichts der Entwicklung der immer größer werdenden Anzahl von Pflegebedürftigen bei gleichzeitigem Fachkräftemangel gelte es, das Pflegesystem besser zu wappnen, mahnt Franziska Kuhlmann. Künftig werde es noch viel mehr darauf ankommen, Menschen und Geld an den richtigen Stellen einzusetzen. Dabei stellt sich laut Kuhlmann eine entscheidende Frage: „Wo ist der Faktor Mensch zwingend notwendig und wo ist er vielleicht auch entbehrlich?“ Mit Blick auf die rapiden Fortschritte in KI und Robotik müssten sich Unternehmen wie Medicproof darauf vorbereiten. „Wir sollten keine Angst haben vor KI, sondern selbst zu Experten werden und den Unsicherheiten mutig und unerschrocken ins Gesicht schauen, um mit zu gestalten“, ermuntert die Medicproof-Geschäftsführerin – und belegt damit eine These, die sie am gleichen Tag aufgestellt hatte: „Manchmal ist der Blick nach vorne deutlich spannender als der Blick zurück.“

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